Der Arzt sagt zu ihr:
„Sie sind jetzt in dem Alter in dem man Hormone nimmt.“
„Ach?“
„Ja wegen der Knochen und so.“
„Na gut.“
„Herr Doktor, ich fühle mich schlecht. Keine Kraft, bin müde, depressiv.“
„Es wird schon werden, sicher nur vorübergehend.“
„Herr Doktor, es wird nicht besser. Das bin nicht mehr ich.“
„Was wollen Sie, Sie werden alt. Aber die Pillen, die müssen Sie nehmen.“
Das sagt der Doktor drei Jahre lang.
„Herr Doktor, ich kann so nicht mehr leben. Was ist, wenn ich ohne Pillen?“
„Riskant, doch ich kann Sie nicht hindern.“
„Herr Doktor, ich bin wieder wie früher. So kann ich leben.“
„Na gut, dann brauchen Sie keine Hormone, keine Pillen.“
„Herr Doktor, was ist mit den drei vergangenen, Hormon-verpillten Jahren?“
Der Pfarrer spricht von Mann und Frau, Treue bis dass der Tod sie scheidet. Ringe werden getauscht. Glocken läuten, Weihrauch mit Orgelmusik. Die Braut ganz in Weiß. Feierliche Zeremonie.
Höhen und Tiefen in dieser Ehe. Der Tod kam plötzlich und viel zu früh. Der Verlust sehr schmerzlich für Alma. Das Leben geht weiter.
Nach Jahren eine neue Verbindung. Auch beruflich. Alma richtet jetzt Häuser ein. Innen. Mit geringem Aufwand und der richtigen Farbe große Wirkung erzielen, das ist ihre Stärke. Das spricht sich rum. Sie weiss, die meisten Leute haben zu wenig Fantasie. Können sich nicht vorstellen, wie es danach aussehen wird.
Hier, in diesem Fall auch. Das Innere des Hauses hat eine Renovierung nötig. Die Besitzerin, kaum jünger als Alma, könnte selbst etwas frische Farbe gebrauchen. Ein neuer Anstrich der Wände und ihrem Gesicht würde nicht ausreichen. Möbel austauschen und einen kleinen Umbau würde sie der Kundin empfehlen und eine neue Frisur.
Sie gehen durch das Haus, betrachten die Räume, reden auch über das Leben.
Als die Kundin die Schlafzimmertür öffnet, sagt sie etwas von leben, lieben und Treue für immer und ewig.
Das Lächeln des Gesichtes, was Alma entgegen schaut, vom Bild neben dem Bett, war Alma über Jahre vertraut.
Der Seniorenstift wurde vorbildlich geführt, nach den neuesten Erkenntnissen. Die Bewohner konnten ihre eigene Möbel mitbringen, lebten völlig eigenständig. Es gab kleine Wohnungen und im Bedarfsfall war immer Pflegepersonal zur Stelle.
Else gehörte zum Seniorenbeirat. Sie war 75, klein, weißhaarig und sehr agil. Ihr freiwilliges Amt war es, sich um die Neuankömmlinge zu kümmern. Ihnen die Gepflogenheiten des Hauses näher zu bringen. Sie mit den Anderen, die schon länger dort lebten, bekannt zu machen.
Karl war auch so ein Neuer. Seine Frau war ganz plötzlich gestorben. Sie hätten in ein paar Tage „Eiserne Hochzeit“ gefeiert. Karl wurde von seiner Tochter gebracht. Sie lieferte ihn ab, mit seinen Kisten, Kartons und den paar Möbeln. Zum Einpacken hatte die Tochter Zeit gehabt. Zum Auspacken und es dem Vater gemütlich zu machen, reichte es nicht mehr.
Else kümmerte sich. Karl war hilflos. Seine Frau hatte zu Lebzeiten jeden Handgriff übernommen. Ohne seine Frau war er ein halber Mensch. Else leerte mit ihm Umzugskartons. Sie rückten Möbel zusammen. Als Else die Blumen in sein Zimmer stellte, war es richtig wohnlich. Sein neues Zuhause. Karl war richtig froh. Else umsorgte ihn. Sie half ihm den Tod seiner Frau zu überwinden.
Im Seniorenstift gab es mehr Frauen als Männer, alleinstehende. Karl hatte sich gut eingelebt, taute auf. Er hatte einen sehr aufrechten Gang. Die anderen Frauen registrierten ihn. Irgendwann standen Blumen auf dem Tisch, die nicht von Else waren. Darüber sprach Else mit ihrer Tochter.
„Stell Dir vor, die Agathe! Bei der letzten Kaffeefahrt schwänzelte sie immer um Karl rum. Machte ihm schöne Augen. Jetzt wo es ihm gut geht und er sich wohl fühlt. Vorher hat sie keinen Finger gerührt, obwohl sie auch im Seniorenbeirat sitzt. Das lasse ich mir nicht bieten. Ich lade ihn ein, bei mir zum Essen.“
Else wusste inzwischen was Karl besonders gerne aß. Er nahm an, als Else meinte: “Eigentlich kann ich auch Mittags eine Kartoffel mehr kochen.“ Alma wurde giftig zu Else und andere Heimbewohnerinnen auch.
Elses Tochter wunderte sich. Lässt das im Alter nicht nach?
Else und Karl waren oft zusammen, zeigten sich Fotos aus ihrem Leben. Sie war zwei Mal verheiratet. War nicht immer leicht für sie. Karls Frau zeigte auf den Bildern eine füllige Oberweite. „Wie Du“, Karl lächelte, schaute Else lange an, nahm ihre Hand und küsste sie, die Hand. Else war ganz verunsichert, wurde rot. Ab da an sah man die beiden nur noch händchenhaltend im Park, in der Stadt. Sie zeigten jedem ihr Glück.
„Du redest nur noch von Karl. Was hast du? Bist du verliebt?“
Else strahlt.
„In diesem Alter?“ Die Tochter stockt. „Geht das noch?“
„Ja klar, kein Unterschied. Genau wie früher. So einen tollen Liebhaber hatte ich noch nie. Natürlich werden wir nicht heiraten. In diesem Alter! Meine Freiheit, die möchte ich behalten.“
Hier, die Formulare müssen wir alle unterschreiben. Für eventuell abhandengekommene Füße, Finger, ganze Gliedmaßen wie Arme und Beine, wird keine Haftung übernommen. Alles geschieht freiwillig. Eigenes Risiko.
Das lege ich erst mal beiseite. Eigentlich klar. Aber warum unterschreiben? Er soll doch nie? Unterschreiben für nichts? Ob nicht vielleicht doch?
„Nein. Noch nie! Sagt Tui, der Divemaster aus Neuseeland.
Wir sind uns alle nicht sicher. Trotzdem, das Formular füllt sich im Laufe des Tages. Gesprächsthema Nr. 1. Alle machen sich Mut. Die einfachste Sache der Welt. Tausendmal praktiziert, tausendmal nichts passiert.
Fleischbrocken aus der Kühlbox werden angeschleppt. Ein zersägter Thunfisch, von Tui Stück für Stück aufgefädelt an einer schweren Eisenkette.
Wir, 10 Taucher und fast die ganze Crew vom Schiff sitzen mit dem Rücken am Felsen, in 18 Meter Tiefe. Wie in einer Arena. Lars rechts neben mir mit einem Stock. Ohne ihn, meinem Bodygard, hätte ich es nicht getan.
Tui lässt mit dem Tuna auf sich warten. Die ersten Haie kommen. Majestätische Schwimmer, so elegant und neugierig. Aha, da kommt Leslie, 3.50 m lang. Der Kapitän erzählte von dem Hai. Hat rechts einen Angelhaken in der Seite. Es werden mehr Haie. Drehen ihre Runden. Ganz ruhig. Kleine, kalte Augen bewegen sich hin und her. Alle warten auf die Vorstellung.
Jetzt! Die Eisenkette mit dem Tuna. Wie aus Kommando. Die Haie stürzen sich auf die Fischteile. Ein Ziehen und Zerren, ruckartige Bewegungen. Keine 5 Minuten, kahl gefressen, ratzeputz.
Was ist das? Mir bleibt das Herz eine Sekunde stehen. Schicke ein Stoßgebet nach ganz oben: “Bitte, lass es gut gehen.“ Zwei Haie, verheddert in der Eisenkette. Ein größerer oben und ein mittlerer Hai am unteren Ende der Kette. Die Anderen halten Abstand, ziehen ihre Runden. Ganz ruhig. Beide Verhedderten schütteln sich, mit Kraft. Keine Wirkung. Bleiben gefangen.
Ich rufe den Chef ganz oben wieder an. Voller Inbrunst: „Bitte, lass keinen dieser Fressmaschinen wild werden“. Wenn nur Einer sich an die Verhedderten ran macht, einmal kurz zubeißt, gibt es eine Fressorgie. Sie würden sich gegenseitig angeifen. Resultat, ein Blutbad. Nicht rot, nein in dieser Tiefe würden grüne Blutwolken zu sehen sein.
Lars schaut mich an. Die Taucher drücken sich an die Felswand. Mehrere sprechen wohl den Herrn ganz oben an. Der größere Hai, Nähe Wasseroberfläche, hängt reglos in der Kette. Keine Bewegung. Der Kleine am unteren Ende versucht es noch einmal. Ein Ruck. Kette und Hai kommen in Bewegung. Ein wilder Tanz.
Geschafft! Und der da oben? Alle schauen sie hin. Keine Regung. Die Eisenkette, zweimal, drückt sich in den Bauch. Wird enger, schnürt zu. Zwei neue Haie kommen. Stattliche Größen. Stille. Kein Blubbern zu hören, als würden die Taucher nicht mehr atmen. Die Haie ziehen ihr Kreise. Dichter.
Da! Unglaublich! Tui schwimmt durch die kreisenden Haie. Nimmt die Eisenkette, zieht sie mit dem größeren Verhedderten zum Boot. Ganz ruhig. Wickelt ihn aus der Kette. Der Hai, wie ein Pfeil. Weg!
Erleichterung! Die Haie verpieseln sich. Langweilig für sie . Der Vorhang fällt.
„Habt ihr das schon mal erlebt, mit der Eisenkette?“ Der Kapitän: „Ehrlich gesagt, nein. Natürlich hätte es anders ausgehen können. Ist aber nichts passiert.“
Der Kanadier, unser jüngster Taucher, kommt aufgeregt an. „Mensch, toll diese Vorstellung. Ja, Leslie mit dem Angelhaken. Schöner Brummer. Mindesten 6 Meter lang. Macht ihr auf der Rückfahrt noch mal eine Fütterung?“ Ich überlege. Leslie? 6 Meter lang? So schnell gewachsen in so kurzer Zeit?
Die Arbeit war unbefriedigend.
Das Ergebnis?
Niederschmetternd, einfach schwach.
Hunger!
Wirklich? oder nur Frust?
Zeit zum Essen wäre es.
Augen größer, als der Diät gewohnte Magen.
Völlegefühl. Unwohlsein.
Kräuterlikör, der räumt auf.
Und macht Appetit.
Vom Eisschrank zum Tisch
und zurück einige Male.
Etwas Wein, auch Gewürztes oder Süsses,
immer im Wechsel.
Mehr stopfen als geniessen.
Schlechtes Gewissen. Unwohlsein.
Ein Schnäpschen oder zwei,
beruhigt das Gewissen.
Regt leider den Magen an.
Macht Appetit.
Morgen,
ja ab morgen wird wieder gegessen,
doch dann mit Kopf und Verstand.
Der Chef wird gesucht.
Vergeblich.
Ein junger Mann im Büro,
will wissen wo sie war,
seine Frau heute Nacht.
Achselzucken bei den Kollegen.
Sie war auf der Weihnachtsfeier!
Ja und danach?
Vielleicht eine Stadtrundfahrt,
per Taxi gemacht?
Nein sie hatte kein Geld ausgegeben,
volltrunken kam sie heim,
verkehrtrum ihre Kleider.
Was hat ER mit ihr gemacht?
Elke Schirmer
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